Zum Internationalen Tag gegen Menschenhandel am 30. Juli macht die Arbeitsgruppe EVA (Empowerment und Vielfalt für Alle Frauen), die sich aus dem Fachdienst "Integration und Migration" des Caritasverbandes Kleve formiert hat, auf eine oft unsichtbare, aber wachsende Gefahr aufmerksam: den Menschenhandel.
Zum Hintergrund: Laut dem Bundeskriminalamt (BKA) und dem Bundesweiten Koordinierungskreis gegen Menschenhandel (KOK) waren im Jahr 2023 rund 75 Prozent der registrierten Opfer weiblich, ein Großteil davon mit Fluchterfahrung.
"Viele Frauen, die zu uns kommen, haben bereits Gewalt, Ausbeutung oder Erpressung erlebt - doch selten sprechen sie offen darüber", berichtet auch Gabi Walter von der Flüchtlingsberatung des Caritasverbands Kleve. Die Betroffenen treten meist wegen anderer Anliegen an Beratungsstellen heran - etwa wegen Problemen mit der Unterkunft, dem Aufenthaltsstatus oder gesundheitlicher Beschwerden. Erst im Laufe der Gespräche offenbaren sich Hinweise auf sexuelle Ausbeutung oder Zwangsarbeit.
Eine unsichtbare Realität
Menschenhandel findet in Deutschland nach Angaben der AG EVA nicht nur im Rotlichtmilieu, sondern unter anderem auch in Privathaushalten, der Pflege, der Landwirtschaft, Gastronomie oder im Reinigungsgewerbe statt. Die Täter:innen agieren oft im Verborgenen und nutzen Zwang, Täuschung oder Drohungen, um ihre Opfer wirtschaftlich oder sexuell auszubeuten. Dabei haben sich die Methoden verändert: "Viele Ausbeutungsformen verlagern sich zunehmend ins Internet", erklärt Olga Diederen von der Integrationsagentur der Caritas.
Insbesondere geflüchtete Frauen sind gefährdet. Ihre prekäre Lebenslage, fehlende Sprachkenntnisse und Informationen über ihre Rechte sowie Misstrauen gegenüber Behörden machen sie anfällig für Menschenhandel. "Die Frauen bringen meist einen hohen Leidensdruck mit - aber auch viel Scham und Angst", berichtet Olga Diederen weiter. Häufig verhindern genau diese Faktoren den Zugang zu dringend benötigter Hilfe.
Mangel an wohnortnahen Hilfsangeboten
Die Mitarbeiterinnen der Caritas beklagen auch strukturelle Defizite in der Region. Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel gibt es erst im Ruhrgebiet oder in der Landeshauptstadt Düsseldorf. Für viele Betroffene ist das ein kaum überwindbarer Weg. "Wir brauchen dringend wohnortnahe, niedrigschwellige und kultursensible Angebote im Kreis Kleve", fordert Inge Marks vom Case-Management.
Hinzu kommt die problematische Versorgungslage im Gesundheitsbereich: Wer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhält, braucht einen Behandlungsschein - dieser wird meist nur bei akuten Schmerzen ausgestellt. Die Beantragung ist aufwendig und verhindert oft schnelle Hilfe. Besonders psychologische Betreuung, etwa bei Traumatisierungen, ist im ländlichen Raum schwer zugänglich.
Was brauchen Betroffene?
Laut Gesetz haben Opfer von Menschenhandel unter bestimmten Voraussetzungen das Recht auf eine Bedenkzeit, Schutzunterbringung und auf psychosoziale Betreuung. Doch diese Rechte greifen oft nur, wenn die Betroffenen sich überhaupt als Opfer zu erkennen geben. "Was wir also brauchen, ist mehr Sensibilität - in Behörden, bei medizinischem Fachpersonal, aber auch in der Gesellschaft", sagt Gabi Walter. Dazu gehören Fortbildungen, mehr Öffentlichkeitsarbeit und eine bessere Zusammenarbeit aller relevanten Stellen.
Info - Der Tag gegen Menschenhandel
Der 30. Juli wurde von den Vereinten Nationen zum Internationalen Tag gegen Menschenhandel erklärt. Ziel ist es, weltweit auf die verborgenen Formen moderner Sklaverei aufmerksam zu machen und Schutz sowie Rechte der Betroffenen zu stärken. In Deutschland wurden laut BKA im Jahr 2023 über 600 Opfer von Menschenhandel registriert - Tendenz steigend. Die Dunkelziffer gilt als erheblich höher.
Die AG EVA wurde im Juni 2024 gegründet. Dabei handelt es sich um ein multiprofessionelles Team, das sich aus der Integrationsagentur, der kommunalen und regionalen Flüchtlingsberatung sowie aus dem KIM-Case-Management zusammensetzt. Die AG richtet sich an Frauen mit Migrationsgeschichte, wobei die Angebote offen für alle Frauen sind.