Die wichtigste Erkenntnis des Tages formulierte Andreas Sandvoß gleich zu Beginn: "Wir wollen alle wieder sicher und gesund nach Hause kommen. Helden sterben leider viel zu früh. Und die Betroffenheit darüber ist auch nur zeitlich begrenzt. Etwa eine Woche. Dann kommt irgendwann jemand Neues."
Konflikttrainer Andreas Sandvoß erklärte, was Menschen aggressiv macht.Julia Lörcks/Caritasverband Kleve e.V.
Andreas Sandvoß ist Diplom-Sozialpädagoge, Anti-Aggressivitätstrainer, systemischer Berater und Traumapädagoge aus Essen. Als Leiter des Zentrums für Konfrontative Pädagogik und Geschäftsführer des Instituts SyDeMa (Systemisches Deeskalations-Management) ist er bundesweit als Konflikttrainer unterwegs. Für die Caritas Kleve war er kürzlich zum dritten Mal aktiv. "Nach dem ersten Deeskalationstraining 2023 und seinem Auftritt als Friedensstifter beim Caritas-Jahresempfang im Jahr 2024 haben wir uns erneut für ein Gewaltpräventionsangebot mit Andreas Sandvoß entschieden", sagte Rita Fergen, Fachbereichsleiterin Soziale Hilfen. Sie ergänzte: "Andreas Sandvoß ist eine fachliche Koryphäe. Das hat sich auch in der aktuellen Schulung gezeigt." Diese trug den Titel: "Sicher im Konflikt - Deeskalation und Konfliktlösungen um Umgang mit aggressiven Kunden".
Eingeladen dazu waren 25 Mitarbeiter:innen der Caritas Kleve - darunter Kolleginnen und Kollegen aus dem Kontaktcafé, aus der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Familien, aus der Migrationsberatung, aus den Aufsuchenden Hilfen, aus der Mobilen Pflege, aus der Schuldner- und Insolvenzberatung sowie aus der Schulsozialarbeit. "Allesamt Mitarbeitende, die durch ihre Arbeit, potenziell Opfer von Gewalt werden können", sagte Rita Fergen.
Im Klever Kolpinghaus nahmen 25 Mitarbeitende des Caritasverbandes Kleve an der Deeskalationsschulung teil.Julia Lörcks
Dass dies nicht unwahrscheinlich ist und es immer wieder zu schwierigen Situationen in den Caritas-Einrichtungen kommt, wurde direkt in der Vorstellungsrunde deutlich. "Hier geht es darum, handlungsfähig zu werden und nicht wie ein Reh mit großen Augen am Straßenrand zu erstarren", sagte Andreas Sandvoß. "Im besten Fall können wir sofort loslegen, ohne lange darüber nachzudenken."
Um seine Strategien anzuwenden, erklärte Andreas Sandvoß, was Menschen aggressiv machen kann: "Wenn mein Konto gesperrt wird und der Bankmitarbeiter sagt: ‚Geh‘ doch mal zur Caritas, da wird dir geholfen.‘ Und wenn der Mitarbeitende der Caritas dann aber keine Zeit hat, weil irgendein Dokument fehlt, dann kann jemand schon einmal aggressiv werden. Weil er oder sie ein Bedürfnis hat. Essen zum Beispiel." Frustrations-Aggressions-Theorie nennt sich das. Für die Mitarbeiter:innen der Caritas ist es wichtig, diese Aggressionen zu erkennen und einzuordnen. "Ich muss wissen, wo ich eingreifen kann und wo nicht."
Beim Erkennen von Gefahren kommt es auch auf die Körpersprache an.Julia Lörcks/Caritasverband Kleve e.V.
Neben Körpersprache und immer lauter werdenden Kunden standen unter anderem Kommunikation und Humor, Interventions- und Befreiungstechniken, kulturelle Besonderheiten sowie Entlastungsstrategien und Deeskalationsmanagement auf dem Programm der eintägigen Schulung. Die Teilnehmenden schätzten vor allem den "lockeren Umgang, die Beispiele aus dem Alltag und die Notwendigkeit, sich gewaltfrei gegen Gewalt wehren zu können". "An der Körpersprache zu erkennen, ob jemand aggressiv ist, welche Alltagsgegenstände zur Waffe werden können und wie ich Grenzen setzen und immer gut auf mich achten kann - das alles nehme ich mit in meinen Arbeitsalltag", sagte Anne Huth, stellvertretende Pflegedienstleitung Mobile Pflege Emmerich. Chris Sachinidou-Gastens, Sachbearbeiterin am Empfang der Schuldner- und Insolvenzberatung, schätzte ebenso wie Assistenz- und Empfangsmitarbeiterin Gisela Kistner-Bahr die "authentische Darstellung von schwierigen Situationen und dass eine wertschätzende Kommunikation eigentlich immer gewinnt". Wie Holger Brauer, Leiter der Erziehungsberatungsstelle, nahmen sie aus dem Gewaltpräventionsangebot mit: "Auch wenn sich die gesellschaftliche Stimmungslage verändert hat, sein positives Menschenbild und seine moderate Risikoeinschätzung vermitteln ein Gefühl der persönlichen Handlungsfähigkeit und vor allem der Sicherheit".
Info - Verein "Zukunft ohne Zoff" unterstützt gewaltfreies Miteinander
Die Deeskalationsschulung für 25 Mitarbeitende der Caritas Kleve wurde vom Verein "Zukunft ohne Zoff" finanziell unterstützt. Dabei handelt es sich um einen Förderverein für ein gewaltfreies Miteinander im Kreis Kleve.