Stephan Haupt, FDP-Landtagsabgeordneter, hat die Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle des Caritasverbandes Kleve besucht. Rita Fergen, Fachbereichsleiterin Soziale Hilfen und Leiterin der Schuldnerberaterin, freute sich über den Austausch.Julia Lörcks
Stephan Haupt ist ein Freund der Prävention. Aus diesem Grunde hat der FDP-Landtagsabgeordnete des Kreises Kleve jetzt die Schuldner- und Insolvenzberatung des Caritasverbandes Kleve besucht. Dort wollte er wissen, ob- und inwiefern die Corona-Pandemie die Schuldnerproblematik belastet und was Land, Kreis und Kommune jetzt tun können. Rita Fergen, Fachbereichsleiterin Soziale Hilfen beim Caritasverbandes Kleve, freute sich sehr über den informellen Austausch. "Es ist schön, wenn unsere Sorgen in der Politik Gehör finden", sagt sie.
Hintergrund für den Besuch von Haupt, der auch den FDP-Fraktionsvorsitzenden aus Kleve, Daniel Rütter mitgebracht hatte, war eine Pressemitteilung des Caritasverbandes Kleve (wir berichteten). In dieser machte Fergen darauf aufmerksam, dass bereits in den Monaten Juli und August die Anzahl an Terminanfragen in der Caritas-Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle an der Arntzstraße in Kleve um bis zu 30 Prozent gestiegen ist. Auch im September sah das nicht anders aus. 119 gab es insgesamt. Zum Vergleich: Im September 2019 waren es nur 79. Das machte die FDP-Politiker hellhörig. Zudem gab es kürzlich eine Anfrage im Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen dazu. "Dort berichtete der Chef der Verbraucherzentrale über dieses Thema. Allerdings war alles noch sehr vage", sagte Haupt, der sich aus diesem Grunde noch einmal vor Ort erkundigen wollte.
Gesagt, getan: In einem mehr als anderthalbstündigen Gespräch erläuterte Fergen die aktuellen Themen der Schuldner- und Insolvenzberatung des Caritasverbandes Kleve. "Es sind nicht nur die gestiegenen Anfragen, die uns Sorgen machen, sondern auch das Klientel, das sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten sehr verändert hat." Und Fergen muss es wissen: Schließlich arbeitet die gelernte Diplom-Sozialarbeiterin seit 1999 in der Schuldnerberatung des Caritasverbandes Kleve, seit 2016 leitet sie die Beratungsstelle, im Jahr 2020 hat sie zudem die Leitung des Fachbereichs Soziale Hilfen von Gerd Engler übernommen. Die Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle des Caritasverbandes Kleve gibt es indes seit 1987 - damals ist sie als Pilotprojekt gestartet. Fünf Jahre später wurde der Fachdienst Schuldner- und Sozialberatung beim Caritasverband Kleve gegründet. Seit 1999 ist die Einrichtung zudem anerkannte und gemeinnützige Schuldner- und Beratungsstelle im Land. Das heißt: Die Mitarbeiter beraten und unterstützen verschuldete Personen im außergerichtlichen Einigungsversuch mit den Gläubigern. Außerdem werden zum Beispiel sogenannte P-Konto-Bescheinigungen ausgestellt.
Veränderte Klientel - was heißt das genau? Waren es früher Menschen, die Schulden bei der Bank oder im Versandhandel hatten, so sind es heute oftmals Klienten mit Multiproblemlagen, wie Fergen sagt. Dazu kommt die Tatsache, dass die Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle nicht mehr so offen ist, wie sie es früher einmal war. Das hängt wiederum mit den unterschiedlichen Refinanzierungen des Beratungsangebots zusammen. Während die Insolvenzberatung vom Land finanziert wird, wird die Schuldnerberatung zum größten Teil vom Kreis bezahlt - allerdings nur für Hartz IV-Empfänger (SGB II) und für Empfänger der Grundsicherung (SGB VII). "Dadurch müssten wir eigentlich ganz viele Menschen ausschließen", sagt Fergen, die dafür wirbt, dass das Gesetz entsprechend geändert wird. Einen entsprechenden Entwurf des Verbands der deutschen Schuldnerberatung (AG SBV) hat sie Haupt mit auf den Weg gegeben. "Die private Überschuldung lässt sich nicht an einer gewissen Klientel festmachen. Im Gegenteil: Sie ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, gerade in Zeiten der Corona-Pandemie."
Und der Bedarf ist groß. "Wir haben Wartezeiten von zwei bis acht Wochen für ein Erstgespräch", berichtete Fergen. "Mehr können wir mit unserem vorhandenen Personal nicht leisten." Zwar arbeiten fünf Berater und drei Verwaltungsmitarbeiter in der Schuldner- und Insolvenzberatung. In Summe sind das aber nur 3,6 Stellen für die Beratung und 1,5 Stellen für die Verwaltung des Nordkreises Kleve. Nach Einschätzung des Deutschen Caritasverbandes sind mindestens zwei vollzeitbeschäftigte Schuldnerberatungsfachkräfte pro 50.000 Einwohner nötig, damit alle überschuldeten Bürger zeitnah beraten werden können.
Im Gespräch mit Rita Fergen wurde dem Landtagsabgeordneten auch noch einmal bewusst, wie wichtig heutzutage eigentlich ein Smartphone ist. "Wer kein Handy hat, kann fast nicht mehr an der Gesellschaft teilhaben. Und die Corona-Pandemie beschleunigt diese Entwicklung um ein Vielfaches", sagte auch Fergen.
Apropos Pandemie: Weil sich das genaue Ausmaß immer noch nicht abschätzen lässt, haben sich Fergen und Haupt für Sommer 2021 noch einmal verabredet. "Zudem nehme ich die aktuellen Anliegen der Caritas in den Landtag mit und werde unsere Abgeordneten im Kreis und in den Kommunen sensibilisieren", sagte Haupt. Fortsetzung folgt.