Die Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle des Caritasverbandes Kleve hat ihren Sitz an der Arntzstraße 9 in Kleve.Julia Lörcks
Die Schuldner und Insolvenzberatung des Caritasverbandes Kleve verzeichnet seit geraumer Zeit eine gestiegene Nachfrage bei den Terminanfragen. "In den vergangenen zwei Monaten gab es deutlich mehr Anfragen als üblich", sagt Leiterin Rita Fergen. In Zahlen: Waren es im Juli 2019 insgesamt 81 Terminanfragen, so waren es in diesem Jahr bereits 100. Im August sah es ähnlich aus: 72 (2019) zu 94 (2020). Das ist eine Steigerung von fast 24 beziehungsweise fast 31 Prozent.
Fergen vermutet die Corona-Pandemie als Ursache. So sehen es auch Vertreter der Verbände. "Der Bedarf an Beratungen wird deutlich steigen", sagt zum Beispiel Roman Schlag, Sprecher des Verbands der deutschen Schuldnerberatungen (AG SBV). Er ist wie Fergen Schuldnerberater bei der Caritas. Nach Angaben des IFF-Überschuldungsreports 2020 sind derzeit 6,92 Millionen erwachsene Menschen in Deutschland überschuldet. Und damit nicht genug: "Die aktuelle Covid-19-Pandemie und die daraus folgenden wirtschaftlichen Probleme weisen darauf hin, dass Überschuldung in den nächsten Monaten zu einem der Hauptprobleme werden wird", so schreiben es die Verantwortlichen des Instituts für Finanzdienstleistungen (iff).
"Bei den aktuellen Terminanfragen handelt es sich vielfach um Anfragen zu allgemeinen Informationen und Bescheinigungen", erklärt Fergen. Das können zum Beispiel sogenannte P-Konto-Bescheinigungen sein. Damit heben Klienten die Pfändungsfreigrenze auf die ihnen zustehenden Summen an. "Des Weiteren kommen Männer und Frauen zu uns, die erstmals ihre Raten nicht zahlen können", sagt Fergen. Grund dafür können verminderte Einkünfte, zum Beispiel durch Kurzarbeit, sein. "Die Klienten stehen vielmals vor einem persönlichen Dilemma. Auf der einen Seite erzeugen Gläubiger Druck durch Mahnschreiben. Auf der anderen Seiten ist es für sie eine schwierige Entscheidung, die eigenen Grundbedürfnisse in den Vordergrund zu stellen und gleichzeitig zu akzeptieren, dass die vertraglich festgelegten Forderungen nicht mehr reguliert werden können. Hier können wir beraten und Hilfestellungen geben", erklärt Fergen.
1400 Klienten im Jahr 2019
Die Schuldner- und Insolvenzberatung des Caritasverbandes Kleve ist seit 1999 anerkannte, gemeinnützige Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle. Fünf Berater und drei Verwaltungsmitarbeiter sind dort Ansprechpartner, wenn es um das Thema "Zahlungsschwierigkeiten" geht. "Wir sind ein Team aus Bankkauffrauen, Betriebswirten und Sozialarbeitern. Wir erstellen Zahlungspläne und führen Verhandlungen mit den Gläubigern. Bei dauerhafter Zahlungsunfähigkeit begleiten wir die Klienten auch bis zum Verbraucherinsolvenzverfahren", erklärt Fergen das Leistungsspektrum. 2019 nahmen das mehr als 1400 Klienten in Anspruch, 410 davon zum ersten Mal. Zudem verzeichnete der Wohlfahrtsverband im vergangenen Jahr 560 Kurzberatungen und 880 laufende Beratungen in der Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle. Tendenz steigend.
Aus diesem Grunde macht Fergen, die auch Fachbereichsleiterin "Soziale Hilfen" ist, auf das Angebot der Online-Beratung aufmerksam. Seit 2004 wird diese über den Deutschen Caritasverband mit Sitz in Freiburg angeboten. Auch der Caritasverband Kleve macht mit seinen verschiedenen Beratungsstellen mit. "Wir müssen neue Wege gehen, um möglichst viele Menschen zu erreichen", sagt Fergen. Die Beratung ist anonym und kostenlos.
Apropos Kosten: Auch darauf möchte Fergen aufmerksam machen. Bisher werden ausschließlich die Insolvenzberatungen vom Land sowie die Schuldnerberatungen für Hartz IV-Empfänger (SGB II) und für Empfänger der Grundsicherung (SGB VII) vom Kreis refinanziert. Überschuldung ist allerdings nicht an einer gewissen Klientel festzumachen. Im Gegenteil: Die private Überschuldung ist in Deutschland ein gesamtgesellschaftliches Problem. Deshalb fordert Fergen wie auch der AG SBV ein Recht auf Schuldnerberatung für alle. Dafür müsste allerdings eine Gesetzesänderung im SGB XII vorgenommen werden.