Es ist zehn Jahre her, dass Angela Merkel den Satz "Wir schaffen das" sagte und der "Sommer der Migration" Deutschland in Aufbruchstimmung versetzte. Das Land erlebte einen beispiellosen Moment gesellschaftlicher Solidarität. An vielen Orten gab es eine Welle der Hilfsbereitschaft, um die Menschen - damals vor allem aus Syrien und Afghanistan - willkommen zu heißen.
Auch in Emmerich am Rhein war das der Fall. Damals gründeten Walli und Anne Boß mit der katholischen Waisenhausstiftung (heute: Brücken-Stiftung) eine Eltern-Kind-Gruppe im ehemaligen Pfarrheim am Martinikirchgang. "Es kamen so viele Frauen mit ihren Kindern nach Emmerich", erinnert sich Walli Boß. "Wir wollten ihnen einen Raum geben, in dem die Kinder spielen und die Frauen in Ruhe sprechen konnten." Sie fühlte sich damals berufen, etwas ehrenamtlich zu unternehmen und den fremden Frauen ganz unkompliziert zu helfen. Heute, zehn Jahre später, sind Mutter und Tochter noch genauso engagiert wie am ersten Tag. "Der Ton ist rauer geworden und die bürokratischen Hürden sind höher - doch davon lassen wir uns nicht abhalten", sagt auch Anne Boß.
Im Gegenteil: Was als Mutter-Kind-Gruppe begann, hat sich im Laufe der vergangenen zehn Jahre zu einem offenen Treffpunkt für jedermann entwickelt. Er ist jeden Donnerstag von 16 bis 18 Uhr im Aldegundisheim am Hottomannsdeich 2 in Emmerich geöffnet.

Julia Lörcks
"Der offene Begegnungstreff ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie aus einem spontanen Engagement eine dauerhafte Struktur für geflüchtete Familien entstanden ist", sagt auch Anne-Kathrin Lehmann. Sie leitet den Fachdienst "Gemeindecaritas & Ehrenamtskoordination" des Caritasverbandes Kleve. Sie nutzt das zehnjährige Bestehen der Initiative aus Emmerich, um einmal "Danke" zu sagen. "Der Treff ist eine große Stütze in Emmerich und oft der erste Anlaufpunkt für Geflüchtete. Das Team empfängt alle mit offenen Armen und einem Lächeln. Es ist beeindruckend, wie hier auf aktuelle Bedürfnisse eingegangen wird."
Und diese Bedürfnisse haben sich in all den Jahren kaum verändert. Die Menschen, die zum Begegnungstreff kommen, haben Fragen: "Wo finde ich was? Warum gibt es zu Silvester ein Feuerwerk? Und wie funktioniert die Mülltrennung? Die Menschen erleben nicht nur eine neue Umgebung, sondern auch eine neue Kultur", erklärt Anne Boß. Ziel des Begegnungstreffs sei es, ihnen dabei zu helfen, sich zu integrieren. Dabei gehören Spaß und Geselligkeit genauso dazu wie die deutsche Sprache. "Wir trinken Kaffee, spielen gerne Bingo und helfen bei den Deutschkursen. Unser Treff ist ein Ort der Begegnung, der Orientierung und der Menschlichkeit", sagt Walli Boß.
Aktuell lebt der Treff vom Einsatz von sechs Ehrenamtlichen: Neben Walli und Anne Boß sind das Clemens Arntz, Anne Benning, Jutta Gies und Klara Bothen. "Es dürfen gerne mehr werden", sagt Anne Boß. Unterstützt werden sie dabei vom Caritasverband Kleve. "Wir leisten nicht nur einen finanziellen Beitrag. Alle Ehrenamtlichen sind auch über unseren Verband versichert und erhalten von unseren hauptamtlichen Mitarbeitenden Unterstützung, wenn sie mit ihren Anliegen nicht weiterkommen", sagt Anne-Kathrin Lehmann.
Info - Engagement in der Flüchtlingshilfe
Wer das ehrenamtliche Team des Begegnungstreffs im Aldegundisheim unterstützen möchte, kann einfach donnerstags von 16 bis 18 Uhr am Hottomannsdeich vorbeischauen oder sich beim Fachdienst "Gemeindecaritas & Ehrenamtskoordination" unter der Telefonnummer 02821 7209160 oder der E-Mail-Adresse gemeindecaritas@caritas-kleve.de melden.
Der Fachdienst vermittelt ehrenamtliches Engagement auch in anderen Städten und Gemeinden im nördlichen Kreis Kleve.